missing gemsle (archiviert)

2012 verweilen AO& für neun Wochen im Tal. Im Rahmen des Walserherbst ist das Kollektiv mit drei parallel stattfindenden Projekten vertreten.

Samstag, 18.08.2012 / Garsella, Gasthaus Gemsle

Durch Jahrhunderte war das Wirtshaus zum Rappen, heute Gemsle genannt, die wahrscheinlich bedeutendste Gaststätte des Tales. An der Nahtstelle der drei großen Siedlungsräume gelegen, hatte das Gasthaus in Garsella eine gewisse Brückenfunktion und diente einst auch als Sitz des unteren Walsergerichtes und als Wirtschaftszentrum. Wegen seiner zentralen Lage, und weil sich alle Wege nach Garsella neigen, da es mit 733 m Seehöhe tiefer als alle übrigen Talsiedlungen liegt, war es seit jeher ein Treff- und Sammelpunkt des Tales. Lange Zeit war Garsella Tagungsort der Bürgermeister, Lehrer und Katecheten – für das ganze Tal entscheidende Fragen politischer, wirtschaftlicher und kultureller Natur reiften in dieser von Wald, Wassern und Bergen umschlossenen Einsamkeit zum Wohle der Walser zu wertvollen Entscheidungen, Plänen und Taten.” (aus: Dobler Eugen, Gasthäuser im Großen Walsertal, 1994) Der heutige Wirt Eugen Burtscher hat den Betrieb 1980 von seinem Vater Oswald übernommen. Über dreißig Jahre hat dieser Mann engagiert in seiner besonderen Art das Gemsle zu einem Begegnungsort der Bewohner aller Dörfer des Tales gemacht. Neben Erwachsenen konnte der Wirt durch seine Aktivitäten auch jüngeres Publikum ansprechen. In den vergangenen Jahren ist es ruhig ums Gemsle geworden. Dem nun schon betagten Eugen Burtscher ist es immer schwerer möglich, einen regulären Betrieb aufrechtzuerhalten. Aufgrund von ungeklärter Nachfolgerschaft blickt diese Institution einer ungewissen Zukunft entgegen. Das Große Walsertal mit seinen etwa 3300 Einwohnern besteht aus sechs Verwaltungseinheiten, die den jeweiligen Dörfern wichtige Identität verleihen. Als Nachteile werden dieser Struktur gelegentlich mangelnder Gemeinschaftssinn und Defizite in der Kommunikation zur Last gelegt. Mit der weitgehenden Stilllegung des Gasthauses Gemsle kommt der Talbevölkerung ein über Jahrhunderte tradierter Versammlungsort abhanden. Im Rahmen des Walserherbst 2012 wird dieser besondere Ort wiederbelebt. Bereits ab zwei Wochen vor dem offiziellen Beginn des Festivals steht das Gemsle, für insgesamt fünf Wochen täglich geöffnet, wieder jedem Gast zur Verfügung. Als Tagungsort der Bürgermeister, Lehrer und Katecheten, als Treffpunkt für alle Talbewohner, für Festivalbesucher und Gäste, woher auch immer sie kommen. Auftritte von Musikern, Anlässe zu Gesprächen und eine Reihe ausgesuchter Gastköche und Gastköchinnen – aus dem Tal und von weit her angereist – überbrücken für fünf Wochen die entstandene Lücke und feiern in seiner Anwesenheit Eugen Burtscher, den amtierenden und vielleicht letzten Wirt des Gasthauses Gemsle. Mit Beiträgen von: Roland Velich, Christian Seiler, Josef Helm, Johann Reisinger, Werner Tschidel, Rosi Schuster, Katia Schneider, Vinzenz Klimmer, Oskar Ammann, Imre Halasz, Zita Zech, Cornelia Zech, Klaudia Rinderer, Martina Türtscher, La-Or Burtscher, Klaus Feurstein, Ferdinand Lutz, Luke Matthews, Peter Pölzl, Gabriele Stahl, Dieter Würch, Elisabeth Payer, Geli Salzmann, Markus Gohm, Gertrud Mikula, Guntram Domig, Rainer Ganahl, Matthias Zanona, Michael Friedl, Philipp Furtenbach, Philipp Riccabona, Thomas A. Wisser, Rainer Fehlinger, u. a. missing gemsle ist eine Veranstaltung des Club of Plenty in Zusammenarbeit mit dem Walserherbst Festival. AO& Wasser, Fett und Missing Gemsle Als Festivalleiter Dietmar Nigsch 2008 das Kollektiv AO& zum dritten Walserherbst einlud, war ursprünglich ein mehrtägiges Kochprojekt angedacht. Nach vorbereitenden Erkundungen entschieden sich die Künstler, ihre erste Präsenz im Großen Walsertal wesentlich umfangreicher anzusetzen. Sie blieben mehr als zwei Monate durchgehend vor Ort, gruben in einem Waldstück ein riesiges Loch aus und schufen einen Veranstaltungsort für das Festival im Festival mit dem Titel „Leben und sterben in den Bergen“. Im Rahmen des Walserherbst 2010 kehrten Philipp Furtenbach, Philipp Riccabona, Thomas A. Wisser und Rainer Fehlinger wieder zurück, zogen im Rahmen des Projekts „Studien zur Gastfreundschaft“ mit voll bepackten Handwägen während fünf Wochen durch das Tal und verwandelten Privathäuser in Gasthäuser.